Bayou Capital Management: 20. Hedge Fund Betrugsfall in 2005
Hedgefonds » Jeder Anleger, selbst wenn er nur eine Lebensversicherung besitzt, hat mit Hedgefonds zu tun – einer kaum kontrollierten Branche.
von Andreas Henry, Wirtschaftswoche, New York
(01.12.05) - Das Geld kann Donald Trump abschreiben. Weder sein heißer Draht in die Finanzszene noch seine Abgebrühtheit bewahrten ihn vor dem Fehler. Der New Yorker Immobilientycoon und Fernsehstar vermietete eine luxuriöse Villa in Mount Kisco, 50 Kilometer nördlich von New York, an Samuel Israel, den Chef und Gründer von Bayou Capital Management, einer Hedgefonds-Gesellschaft. „Er schuldet mir zwei Monate Miete“, sagt Trump. Die mehr als 60.000 Dollar wird Trump wohl nie mehr sehen.
Viele Kunden von Bayou müssen deutlich höhere Verluste verschmerzen. 300 Millionen Dollar sind verschwunden. Trumps Mieter bekannte sich jetzt schuldig, einen der größten Betrugsfälle der Branche inszeniert zu haben. Israel drohen bis zu 30 Jahre Haft. Zusammen mit seinem Finanzchef Daniel Marino protzte Israel mehr als sieben Jahre lang gegenüber Kunden mit hohen Fantasierenditen. In Wahrheit verspielte das Duo nach und nach fast das gesamte ihnen anvertraute Kapital. Die beiden flogen erst auf, als zu viele Anleger ihr Geld zurückverlangten. Sie werden nicht die letzten Betrüger in einer Branche sein, die nach Schätzungen inzwischen mindestens 1000 Milliarden Dollar schwer ist.
Nicht nur Millionäreinvestieren in Hedgefonds. Täglich füttern ebenso die Kunden von Lebensversicherungen und Pensionskassen mit ihren Beiträgen die so genannten alternativen Investmentfonds. Sie wissen es nur nicht. Denn die großen institutionellen Anleger kommen bei der Jagd nach höheren Zinsen an den Hedgefonds kaum vorbei. So bündelte der deutsche Marktführer Allianz gerade sein Kapital für alternative Kapitalanlagen in eine eigens gegründete Holding, rund 25 Milliarden Euro – sie wollen ihr Geld effektiver organisieren.
Weltweit drehen Hedgefonds-Manager ein großes Rad, aber kaum jemand schaut ihnen richtig auf die Finger. Gerüchte über Schieflagen, schlappe Renditen und eine Serie von Betrugsfällen zerrten bereits in den Sommermonaten an den Nerven wohlhabender Kunden. Ist das vermehrte Kapital tatsächlich da oder steht die erfreuliche Wertsteigerung nur auf dem Papier? Die Leichtigkeit, mit der sich sogar Profis hinters Licht führen ließen, wirkt nicht vertrauensbildend. Offenbar ist es möglich, über Jahre hinweg eine überragende Performance vorzutäuschen, Berichte zu manipulieren und zu fälschen, ohne dass es irgendjemand merkt.
Auch die Europäische Zentralbank beklagte vergangene Woche die laxen Kontrollen. Die mit Hedgefonds handelnden Banken überwachten deren Risiken unzureichend und machten Zugeständnisse an hinterlegte Sicherheiten, um die Fonds nicht als lukrative Geschäftspartner zu verlieren. So wächst an der Wall Street und andernorts die Sorge, die Serie jetzt aufgedeckter Betrugsfälle könnte nur ein Schlaglicht auf das wahre Ausmaß der Probleme sein. In der weit gehend unbeaufsichtigten Branche tummeln sich mittlerweile mehr als 8000 Fonds. Im Jahr 2000 deckte die amerikanische Wertpapieraufsicht zwei Betrugsfälle bei Hedgefonds auf, 2004 waren es 19, in diesem Jahr bisher 20.
Die Zahl liest sich im ersten Augenblick klein, doch die Betrugsfälle offenbaren signifikante Schwachstellen bei institutionellen Investoren und Beratern.
Die DePauw-Universität aus Indiana verklagt jetzt die Hennessee Group, eine auf Hedgefonds spezialisierte New Yorker Investmentberatungsgesellschaft. Hennessee hatte der Uni den Bayou Superfund empfohlen, der von sich behauptete, in sieben Jahren durchschnittlich 18 Prozent Rendite erzielt zu haben. Hennessee habe zuvor eine fünfstufige Due Diligence, eine Prüfung auf Herz und Nieren, bei Bayou durchgeführt. Die Berater prahlen in ihrer Werbebroschüre: „Manager, die unseren»Test bestehen, haben eine gründliche Analyse ihrer Organisation, ihrer Angestellten, ihres Managements, ihrer Investmentphilosophie, ihrer Performance-Historie und ihres Risikomanagements durchlaufen.“ Dass Bayou-Gründer Israel seit Jahren die Zahlen manipulierte, übersah Hennessee.
Auch ein Fonds der US-Bank J. P. Morgan Chase gehörte zu den unbedarften Bayou-Investoren. Nicht einmal die leicht zu recherchierende Tatsache, dass die Prüfgesellschaft, die die stolzen Renditen bestätigte, völlig unbekannt war, erregte Verdacht. Die Testate stammen von einer Firma, die der Bayou-Finanzchef extra für den Eigenbedarf gegründet hatte.
Auch Wood River Capital lockte Investoren mit einer angeblichen jährlichen Performance von bis zu 32 Prozent. Bei der Gesellschaft, die ihren Firmensitz tief in den Rocky Mountains hat, schaute ebenfalls niemand genau hin. So gab das Unternehmen zwar gleich zwei unabhängige Prüfungsgesellschaften an. Doch mit keiner existierte eine Geschäftsverbindung. Nachdem einige Investoren erfolglos versucht hatten, ihr Geld abzuziehen, alarmierten sie die US-Wertpapieraufsicht Securities and Exchange Comission SEC. Wie viel von den angeblich 275 Millionen Dollar Kapital noch da ist und wer welche Verluste erlitten hat, ist noch unklar.
Einige größere institutionelle Investoren sollen sich bereits diskret zurückgezogen haben. Die US-Bank Lehman Brothers muss knapp neun Millionen Dollar abschreiben. Sie hatte Wood River bei einer obskuren Steuersparaktion geholfen und statt eines Miniprofits von 16 000 Dollar einen Millionenverlust eingefahren. Lehman klagt jetzt gegen den Fonds.
Von 2006 anwill die SEC zum Schutz der Investoren eine Registrierungspflicht und unregelmäßige Kontrollen einführen. Theoretisch wunderbar, praktisch von vielen Hedgefonds schon wieder ausgetrickst: Die neuen Richtlinien sollen nur für Fonds gelten, deren Anleger in den ersten zwei Jahren wieder aussteigen können. Die ersten großen Fonds stellen ihre Bindefristen bereits auf längere Fristen um und weichen so der Registrierungspflicht der SEC aus.
In Großbritannien, neben den USA der zweite wichtige Standort für Hedgefonds, führt die Financial Services Authority FSA, das britische Pendant zur SEC, bereits Hintergrund-Checks zu Hedgefonds-Managern durch. Die FSA hat seit September ein Team, das die Londoner Szene observiert. Allerdings besteht die FSA-Truppe nur aus sechs Leuten und kümmert sich derzeit offiziell nur um die 25 Fonds, die sie als Risikokandidaten ausgemacht haben. Wer das ist, will die FSA aus Vertraulichkeitsgründen nicht preisgeben.
Lange waren auch die etwa 200 Hedgefonds in London kaum reguliert. Im Juni signalisierte jedoch die FSA, dass sie die Zügel anziehen wolle, da einige Fonds „an die Grenze des Insiderhandels stießen“. Offenbar hatten sie von großen Investmentbanken früh Tipps über bevorstehende Transaktionen bekommen. Einige Manager der Spekulationsfonds sollen nach FSA-Erkenntnissen zudem bewusst Übernahmegerüchte gestreut haben, um Aktienkurse anzutreiben und daran zu verdienen. Anders als in den USA registrierten die Briten allerdings bisher noch keine spektakulären Betrugsfälle.
Das allein beruhigtdie Investoren kaum. „Es kann nicht sein, dass jemand, der bis gestern Bibliothekar war, heute einen Hedgefonds startet“, sagt Christopher Fawcett, Vorsitzender der Alternative Investment Management Association (AIMA), eines Interessenverbandes in London.
Fawcett sieht auch die künftige SEC-Registrierung in den USA skeptisch – sie werde keinen Betrugsfall verhindern. Andere halten den Ansatz der SEC zumindest für einen ersten Schritt, um nach Betrugsfällen wie Bayou und Wood River wieder Vertrauen zu bilden. So sagt Robert Ross, Chef und Gründer von Starboard Capital Management in Houston, Texas: „Wir müssen alles tun, um dem Publikum zu zeigen, dass wir ein rechtmäßiges Geschäft betreiben.“
„Der Betrug ist selten von vornherein beabsichtigt. Sehr clevere Leute geraten in Schwierigkeiten, etwas geht schief und ohne Prüfungen von außen kann es versteckt werden. Dann wird aus einer kleine Lüge eine große“, sagt Steve Vogt, Vizepräsident von Mesirow Advanced Strategies, einer Dachfondsgesellschaft, die Bayou checkte und durchs Rost fallen ließ.
Gerade die Dachfondsgesellschaften arbeiten zurzeit fieberhaft daran, ihre Körbe auf faule Äpfel zu überprüfen. Sollte sich herausstellen, dass sie fahrlässig in einen windigen Hedgefonds investiert haben, müssen sie mit kostspieligen Klagen ihrer Geldgeber rechnen.
Die Masse der Anleger hat davon wenig. Wenn ein Dachfondsmanager einen kritischen Kandidaten entdeckt, wird er nicht laut „Betrug“ schreien, sondern lieber versuchen, sich still und unauffällig aus der Sache zurückzuziehen – bevor große Verluste anfallen.
(Quelle: WirtschaftsWoche 49/2005,
http://www.wiwo.de/pswiwo/fn/ww2/sfn/buildww/id/97/id/144814/fm/0/SH/0/depot/0/index.html)