95-Jährige erhielt Post von ihrem Vater ? Korrespondenz im Flughafen gefunden.

Berlin-Steglitz, 20. Dezember 1943, meine liebe Irene?, so beginnt ein Brief, den Irene Steinmeister aus Bad Kissingen kürzlich in ihrem Briefkasten fand.
Ich war geschockt als ich den Brief las?, beschreibt die 95-Jährige ihre Reaktion auf die verspätete Nachricht ihres Vaters. Gefreut hat sie sich dennoch. Über 64 Jahre lag der Brief mit vielen anderen vergessen in einem Sack in einer Ecke im Flughafen Tempelhof in Berlin. Bei Aufräumarbeiten ist der Sack mit der Korrespondenz in dem Gebäude entdeckt worden.

Irene Steinmeisters Vater hat in Berlin als Architekt gearbeitet. Als er ihr im Dezember 1943 den Brief mit den Weihnachtsgrüßen schrieb, lebte sie mit ihrer Familie im Thüringer Wald, wo die Firma ihres Mannes war, den sie 1937 geheiratet hatte. Gewundert hat sich die rüstige Dame nicht, dass der Brief nicht ankam, ?es war ja mitten im Krieg?.

Genau diese Situation schildert auch ihr Vater in dem Schreiben. Er berichtet von der Angst und Ungewissheit der Bevölkerung, von dem drohenden Bombardement durch die Amerikaner und die Furcht, dass das Haus, in dem man lebt und arbeitet, ein Opfer der Luftangriffe wird.

In dem Brief, der ein Stück deutscher Geschichte ist, kann man das Grausen und die Furcht der Menschen in dieser Zeit deutlich spüren. Von der Unsicherheit gequält, erkundigt sich der besorgte Vater nach dem Wohlergehen seiner Tochter und deren Familie. ?Ich kann mich noch wie heute daran erinnern, dass ich an diesem Weihnachten mitten im Krieg für meinen Vater einen Baumkuchen gebacken habe. Und weil das so lange dauert, habe ich in der Zwischenzeit einen ganzen Pullover für meinen Sohn gestrickt,? erzählt Irene Steinmeister, die seit 50 Jahren regelmäßig ?Die Welt? liest.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert hat der Brief doch noch seinen rechtmäßigen Besitzer gefunden. ?Meinem 70-jährigen Sohn wurde der Brief zugeschickt. Leider habe ich das Kuvert schon weggeschmissen,? sagt Steinmeister.

Die alte Dame, die sich vor kurzem ein Auto bestellt hat und regelmäßig Schiffsreisen macht, betonte mehrmals, dass sie sich bei der Post bedanken möchte. Man höre in letzter Zeit nicht immer Gutes über sie. Außerdem sei es nicht selbstverständlich, dass man sich nach so einer langen Zeit noch die Mühe macht, einen Brief zuzustellen. ?Die Post ist findig.?


MAIN POST